Begegnungen in und mit Leipzig

Ich bin eine Woche in Leipzig und möchte die Stadt und ihre Menschen kennenlernen. So treibe ich durch die Stadt und frage Menschen, die ich unterwegs treffe: "Was ist für Sie der schönste Ort in Leipzig?"

Dorthin gehe ich. So bin ich unterwegs und komme immer wieder an, an den schönsten Orten Leipzigs.

Gewandhaus

 

 

Montag 10.30 Uhr

 

Ich gehe los in Richtung Stadt. Keine 50m weiter kommt mir ein älterer Mann mit kleinem Hund entgegen. Ich schaue ihn an und frage ihn: „Was ist Ihr schönster Platz in Leipzig?“

 

„Das ist schwer, meint er. Es gibt so viele schöne Orte in Leipzig.“ „Das Gewandhaus“, meint er dann ohne sichtbare Denkpause. „Warum das Gewandhaus?“, frage ich. „Das ist Kultur!“, sagt er stolz, und wiederholt nochmals: "Da ist Kultur drin."

Montag, 11.50 Uhr

 

Ich sitze im Café Culture in der Nähe des Gewandhauses und trinke einen Espresso. Es ist voll, hauptsächlich mit Studenten. Da kommt ein Mann mit Cappuccino auf mich zu und fragt, ob er sich dazu setzen darf. Klar darf er. Und so kommen wir ein wenig ins Gespräch. Er ist Dozent an der Uni Leipzig für Kunst.

 

Auf meine Frage: „Was ist Ihr schönster Platz in Leipzig?“, meint er: „Der Clarapark, und ganz besonders der Palmengarten. Das ist ein Ort der Studenten, die sich dort – wenn es warm ist oder am Wochenende – treffen und den ganzen Park bevölkern.“ Und er gehe da gern mit seinem Sohn hin. Im Palmengarten sei die Elster am Breitesten. „Da häng ich gern mit meinem Sohn rum!“

 

Und dann erzählt er mir, dass er in Leipzig aufgewachsen sei, einige Jahre jedoch in Karlsruhe gewohnt hat. Eines Tages sei er dort mit anderen in den Park gegangen, das heißt, sie hätten über den Zaun steigen müssen, da dieser rundherum abgezäunt gewesen sei. Der Park sei voller Menschen gewesen, die alle über den Zaun geklettert waren. „Das war ich nicht gewohnt, dass es einen Zaun um einen Park gibt. In Leipzig ist jeder Park offen und alle gehen hin.“

Clara Zetkin Park
Wächterstraße

Dienstag, 15.55 Uhr Wächterstraße.

Ich sehe, wie eine gebeugte Frau sich zwischen Bäumen auf eine Bank setzt und gehe zu ihr. „Was ist ihr schönster Platz in Leipzig?“ Wie aus der Pistole geschossen, sagt sie: „Da drüber auf den Bänken“ und zeigt mit ihrem rechten Arm auf vier Bänke in ungefähr 20m Entfernung. „Da setze ich mich immer hin. Hier ist es so schön unter den großen Bäumen.“

„Wenn das da drüber ihr schönster Ort ist, warum sitzen Sie dann hier?“, frage ich. „Ich hab ne Pause gebraucht. Ich komm grad vom Arzt. Von der Impfung.“ Und dann steht sie auf mit den Worten: „Ich geh jetzt rüber und zeigs ihnen.“

Sie geht zu den Bänken und dann an jeder Bank vorbei. Bei jeder meint sie: „Hier ist es schön. Und hier ist es schön. Und hier ist es schön. Und hier ist es schön.“ Sie setzt sich auf die vierte und letzte Bank. Ich stelle mich neben sie und schaue in die gleiche Richtung. Große Bäume mit weitem Blätterdach. Das Haus, in dem sie wohnt sieht man zwischen den Blättern durch.

Als ich sage, dass ich ihren schönsten Ort gern fotografieren möchte und frage, ob ich sie dabei mit fotografieren darf, meint sie: Ja, machen sie nur. Hier ist es so schön.“ Und dann erzählt sie mir, dass sie seit 35 Jahren hier wohnt und immer zu den Bänken kommt. Und wenn sie in Rente geht, wird sie jeden Tag hierher kommen und hier sitzen und den Platz mit den Bäume genießen. Auf meine Frage, wann sie denn in Rente geht, zählt sie an ihren Fingern ab. Noch sechs Jahre sind es. Und sie lächelt mich an und wiederholt: „Ich komme jeden Tag hierher. Hier ist es so schön!“


Mittwoch 13.00 Uhr Arthur Bretschneider Park; direkt am See

 

Ich sehe den Angler während der ganzen Seeumrundung. Und da mir ein Angler den Tipp gegeben hat, spreche ich ihn an und erzähle ihm, dass mir ein anderer Angler den Tipp für diesen Ort gegeben hat. Der junge Mann meint, er angle hier, weil er eine Pause brauche. Er sei den ganzen Vormittag am Rechner gesessen. Um Fische fangen gehe es ihm nicht. Einfach so auf den See zu schauen, das täte ihm gut. „Das gibt mir wieder Ruhe.“

 

Und dann frage ich ihn: „Was ist ihr schönster Ort in Leipzig?“ Der Angler meint: „Das ist schwierig. Er hätte es nicht so mit Verallgemeinerungen. Und er entscheide immer nach dem, was er gerade Lust hat.“ Und dann meint er, ich solle durch die Innenstadt gehen. Und weiter Richtung Süden in die Karl Liebknecht Straße bis schließlich durch den Park bis zum Tierpark. „Zuerst die Stadtkultur, dann die alternative Szene und schließlich die weite Natur. Das ist Leipzig!“


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